Treibselbrief Nr. 2

von Kai Ahrendt

Glücksburg holt Meistertitel im Küstenwettstreit um die dicksten Treibselkartoffeln

Auf dem Erntefest im Naturfreundehaus in Schönberg wurden am vergangenen Donnerstag die Sieger gekürt: Mit 10,8 Kilogramm Ernteertrag lag Glücksburg knapp vor Laboe mit 9,5 kg, Dritter wurde Heikendorf mit 6,1 kg. Angetreten waren zunächst 27 Kartoffelzüchter, vom Bürger bis zum Bürgermeister, für ihre jeweilige Gemeinde. Als Pflanzsubtrat waren nur Treibsel und Strandzutaten zugelassen, 9 Saatknollen einer Sorte nach Wahl sollten gesetzt werden. Gelegentliches Anhäufen und eher seltenes Gießen half. Die hohe Feuchtigkeit dieses Sommers war dabei wohl die größte Herausforderung, einige Versuchsbeete wurden Opfer der Kraut- und Kartoffelfäule. Auffällig ist, dass die drei vorderen Plätze von den Bauhöfen der jeweiligen Gemeinden erreicht wurden, also von den Männern, die sich besonders gut mit Treibsel auskennen. Während der Badesaison müssen sie die Strände davon befreien, nach einer längeren Zeit auf dem Zwischenlagerplatz kommt der Grünabfall dann auf die Deponie. Nach dieser erfolgreichen Ernte sollte dieses Verfahren aber nochmal überdacht werden; denn Glücksburg ist nicht nur Schleswig-Holsteiner Kartoffelmeister sondern europäischer Kartoffelkönig! Die Statistik führt offiziell derzeit Belgien mit 47t pro Hektar an (47.000 kg/10.000 qm = 4,7 kg/qm). 

Die Idee, das überwiegend aus Seegras und Makroalgen bestehende Treibsel zu verwenden ist dabei gar nicht neu: Über Jahrhunderte nutzten Küstenbewohner die Seeanspülungen für Acker- und Hausbau und stopften ihre Matratzen und Kissen damit. Im letzten Jahrhundert wurden diese Nutzungsformen durch industrielle Produkte ersetzt und gerieten in Vergessenheit. Heute erlebt diese natürliche und regionale Ressource eine Renaissance und die „Ostseekartoffel“ befindet sich in guter Gesellschaft: Auch die Jersey-Kartoffel mit europäischer Herkunftsbezeichnung gedeiht auf Seegras und in Portugal werden bis heute Kartoffeln auf Treibseläckern an der Küste angebaut. 

Am Donnerstag feierten die Teilnehmer des Küstenwettstreits erst einmal ein für sie neues Experiment, das neben mehr oder weniger Kilos Kartoffeln auf jeden Fall „viele Kilos Spaß brachte“ (so Dr. Reinhard Kirsch aus Kiel). Die Sieger freuten sich zusätzlich über einige Flaschen Kartoffelschnaps der Destillerie Isarnhoe in Altenhof. Ralf Stelzer, selber Teilnehmer, setze eigens für den Siegerschnaps eine Maische aus ökologischen Kartoffeln vom Versuchsgut Lindhöft an. Die Qualität des „Ostseekartoffelbrands“ wurde von allen Teilnehmern des Erntefestes hoch gelobt.

Aufgerufen zu dem Wettbewerb hatten im April das Ostsee Info-Center und das Geographische Institut der Uni Kiel; im Projekt POSIMA werden dort derzeit Wertschöpfungsketten für Treibsel initiiert.

Ziel des Küstenwettstreits waren aber keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, sondern auf den potenziellen Nutzen von Treibsel aufmerksam zu machen. Ein wissenschaftlicher Feldversuch im landwirtschaftlichen Betrieb soll im kommenden Jahr folgen.

Tipps für alle Hobbygärtner: Eine ausgewogene Seegras und Algen Mischung verwenden, Sandanteile und eine gute Belüftung wie sie z. B. die Grünschnittbehälter der Bauhöfe bieten haben gute Ergebnisse erzielt. Aber auch ein „Unterbüddeln“ in heimischer Gartenerde sollte gute Ernteergebnisse zu Tage bringen.

Allen Teilnehmern herzlichen Dank für ihr Engagement als Ostseekartoffel-Pioniere!